Caspary/Caspary

24.04. - 29.05.2024

Die 146. Ausstellung der Reihe „Kunst in der Sparkasse“
Caspary/Caspary
neue Bilder, neue Skulpturen

Jaana Caspary
Peter Caspary

Begrüßung: Axel Jütz Vorsitzender des Vorstandes der Stadtsparkasse Wuppertal

Musik: ANDREAS BÄR BARIPHONE SUITE

  • Andreas Bär – Saxophone
  • Jonas Windscheid – Gitarre
  • Stefan Berger – Kontrabass
  • Thomas Wörle – Schlagzeug

Aus dem Katalog:

Gezeichnete Gemälde & Vertrautes in neuer Gestalt

Durch die Adern der Familie Caspary fließt Kunst und Kreativität. Die Mutter Rita ist Fotografin, der Vater Peter Grafiker und Maler. Tochter Jaana widmet sich dem Dreidimensionalen und macht Skulpturen, die sie zuletzt in einer Einzelausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden präsentierte. Nun wird das Werk von Peter und Jaana Caspary zusammengeführt. Über die familiäre Beziehung hinaus ist dies wenig möglich. Inhaltlich und technisch ist ihre Kunst einzeln zu behandeln. Doch im Austausch mit den beiden merkt man schnell, dass die Familie eine Rolle spielt. Jaana ist in das Kunstschaffen hinein-geboren. Die Ateliers ihrer Eltern befinden sich im Wohnhaus, in dem sie aufgewachsen ist. Dort hat sie viel Zeit verbracht, viel zugesehen und ausprobiert. Mit Wuppertal sind sie beide untrennbar verbunden. Peter Caspary ist seit langem in Wuppertal präsent und bereichert die Wuppertaler Kunstszene fortwährend. Jaana Caspary ist seit ein paar Jahren Organisatorin und kuratorische Leitung des beliebten Skulpturenprojekts, das seit 2009 regelmäßig im Wuppertaler Botanischen Garten auf der Hardt statt-findet. 2017 haben Vater und Tochter dort auch mal eine gemeinsame Arbeit präsentiert - eine Hauskonstruktion, die vollkommen von einer mit kräftigen weißen Farbspuren auf schwarzem Grund bemalten Teichfolie ummantelt war und in einen kontrastreichen Dialog mit der sie umgebenden Natur getreten ist.

Peter Caspary ist in allen Medien tätig. Er zeichnet, er malt, macht Musik und schreibt. Bevor er 1980 einen Platz an der Düsseldorfer Kunstakademie in der Klasse Freie Grafik/Lithografie bekam, hatte er bereits ein klassisches Designstudium in den Fächern Illustration und Grafik an der Bergischen Universität Wuppertal als Nachfolge der Wuppertaler Werkkunst-schule abgeschlossen. Auf das Zeichnen anhand von Naturstudien wurde hier viel Wert gelegt und prägt Peter Casparys Bilder bis heute. Die Grundlage allen Schaffens, das Zeichnen, ist Dreh- und Angelpunkt seiner Werke. Auf die Leinwand übermittelt er, was er in Skizzen und Studien zuvor beobachtet hat. Die Inhalte sind geprägt von dem, was man draußen sieht und was den Künstler fasziniert - im Kleinen, wie im Großen: seien es die Strukturen von Asphalt-fugen, Reifenspuren, Baumrinde oder ganze Dünen-und Fjordlandschaften aus der Vogelperspektive. Obwohl nicht explizit, denkt man beim Betrachten seiner Bilder häufig an Landschaft. Seine Handschrift ist unverwechselbar - sein Werk subjektiv-expressiv.

Auffallend ist der hohe Weißanteil seiner Bilder. Er lässt sie luftig und leicht wirken und erzeugt bei den Betrachtenden einen positiven und heiteren Zugang in seine Bilder. Von Bedeutung in der Betrachtung seiner Werke ist auch der Prozess des Schaffens. So lässt Peter Caspary Spuren des Bearbeitens sichtbar. Er experimentiert mit den Techniken, bastelt sich seine eigenen Farbrollen und Schwämme. Seine Handschrift nachzuvollziehen ist mitreißend. Teilweise verdichten sich Linien und Farbflächen zu einer Form oder einem vermeintlich wiedererkenn-baren Motiv. Teilweise sind die Striche und Spuren schwebend. Man kann die gesamte Leinwand als Einheit begreifen oder man liest die zeichnerischen und malerischen Element einzeln wie eine Erzäh-lung. Diese Rezeptionsmöglichkeiten erinnern an die Zeichnungen von Cy Twombly, in denen die spontanen „Kritzeleien" auf meist weißem Grund als Zeichen und Mitteilungen die Eindrücke und Energien wiedergeben, die der Künstler in dem, was ihn umgibt, erfahren hat.

Das viele Weiß in Peter Casparys Bildern steht im Kontrast zu schwarzen Flächen und kräftigen Farben, wobei die Farben sparsam und bewusst gewählt sind. So ist beinahe jedes Bild von einer Farbe geprägt, die von weiteren Farben begleitet wird. Das Blau im Bild mit dem Titel „Wasser" von 2018 leuchtet und bringt Kälte auf die beiden aneinandergefügten Leinwände. Die Dynamik und Bewegung von eiskaltem Wasser und Eis ist spürbar. Es zeugt von den Eindrücken, die Peter Caspary in seinen Urlauben in Finnland erhalten hat - hier ist es wohl ein Aufenthalt im Winter gewesen. Das Aufbrechen von Struktur und Material, das sich in der Natur finden lässt, überträgt er auf die Strukturen und das Material in seinen Werken. Sie stecken voller Kraft, Widerstand und Festigkeit, sind eine Durchdringung von Selbstausdruck und Mitteilung. Alles ist in der Bewegung festgehalten und darf vom Betrachtenden gedanklich weitergemalt werden - sowohl, um die durch den Weißanteil erzeugte Leere zu füllen, als auch über die Leinwand hinauszudenken. Die meisten seiner Werke sind überwiegend weiß, doch nicht alle: Das Bild „Mikroben" von 2023 ist eine Explosion in schwarz. Zwar sind weiße und schwarze Flächen in etwa ausgewogen, doch das Auge schweift über die zwei großen aneinander-gefügten Leinwände und bleibt ganz automatisch an einer Fläche hängen, die so rein ist, so tiefschwarz, dass man hineingezogen wird. Sie erscheint wie ein schwarzer Sog. Auf der übrigen Fläche des Bildes wechseln sich weiße Pinselspuren und schwarze Spuren ab, mal zu Formen verdichtet, mal vereinzelt. Kleinere rostrote Spuren sind über das Bild verteilt und bringen eine farbliche Komponente hinzu. Sie lassen an lodernde Flammen denken. Feuer und Explosion scheinen die Themen des Bildes zu sein, das so viel Kraft und Präsenz ausstrahlt und überrascht. Das Ergebnis dieses Zeichen- und Malprozesses muss überraschen - so sagt es Peter Caspary selbst über seine Arbeit. Sonst sei es nicht fertig und müsse weiterbearbeitet werden. Das Überraschungsmoment moment interessiert Peter Caspary auch in seiner Musik. In einer modernen Version mit Tonabnehmer erinnern seine experimentellen Musikproduktionen an den US-amerikanischen Fluxuskünstler Joe Jones. Dieser baute in den 1960-er und 70-er Jahren seine sogenannten Musikmaschinen: präparierte Musikinstrumente, die durch kleine Motoren angetrieben Musik spielen und skurrile Töne von sich geben. Auch Peter Caspary baut sich seine eigenen Instrumente, indem er echte Instrumente auseinanderbaut und neu kombiniert. Ganz so skurril wie die Töne, die Joe Jones erzeugte, ist Peter Casparys Musik nicht. Wie in seinen Bildern entwickelt sich etwas Harmonisches, Warmes und Vollkommenes aus dem dynamischen Konglomerat aus einzelnen, experimentellen Setzungen.

Peter Caspary zeigt auch einige seiner aktuellsten Werke. Sie stammen aus der 2023 entstandenen Serie „Schwarz auf Weiß". In ihnen ist die Farbe verschwunden. Er reduziert sich auf schwarz und weiß; und auch hier ist es wieder vor allem der Weißanteil, der prägt. Kohlestift und schwarze Flächen bilden teils Setzungen auf weiß, teils verschwimmen sie mit weißen Verdichtungen zu einer Einheit. Spachtelmasse bleibt neben Kohlelinien und weißer Acrylfarbe frei sichtbar und unbehandelt. In diesen Jüngsten Werken scheint der Künstler sich von der Malerei zu lösen. Er kommt zurück zum Ursprung seines Schaffens: zur Zeichnung.

Jaana Casparys Werke orientieren sich am realen Gegenstand. Es sind Objekte des Massenkonsums, denen sie eine Autonomie in neugeschaffener Form verleiht. So bilden Abformungen von banalen Gegenständen, wie Luftmatratzen, Wasserbällen und Sitzpolstern die Grundlage ihrer Skulpturen. In ihrem Atelier entdeckt man zahlreiche dieser Kissen und Matratzen. Auf einem Tisch liegt Beißspiel-zeug für Hunde aus verknoteten Bändern. Ebenfalls Objekte, deren Strukturen sie als Ausgangspunkt für ihre Zeichnungen, Skulpturen und Fotocollagen nimmt. Manches, was herumliegt und zum drauf-sitzen einlädt, ist real, manches täuschend echt. Die vielen nachgeformten Kissen, Luftmatratzen oder Badeinseln haben was Haptisch-weiches. Man will sie berühren, sich vergewissern. Ihr Atelier in dem Gebäude ehemaliger Tischlerwerkstätten direkt an der Wupper hat sie 2015 bezogen. Man muss auf-passen, was man berührt, denn alles ist von feinem weißen Staub überzogen. Es wird viel geschliffen, geformt und experimentiert.

Ihre Skulpturen geben Zeugnis von der vormaligen Existenz und der Funktion der Konsumgüter. Sie formt den realen Gegenstand ab und überträgt ihn in ein anderes Material. So wird das Objekt aus seinem Funktionszusammenhang gelöst und als abstrakt gelesen. Neben ihrer Arbeit mit Gips, arbeitet sie viel mit Acrylgießharz oder Bronze. Die Variation in der Materialwahl und Art der Bearbeitung wird in ihren kleineren Plastiken sichtbar. Das Material entspricht optisch und haptisch nicht dem Objekt, wie man es kennt. Durch Vervielfältigung und Ändern der Perspektive wird die Verfremdung gesteigert. So sind Kissen derselben Form zu einem Kubus aneinandergesetzt, wie bei „box" (2021). Für die Arbeit hat Jaana Caspary ein voluminöses Sitzkissen abgeformt und in sechsfacher Ausführung in Gips gegossen. Die sechs Elemente sind so aneinandergefügt, dass sie einen 25 x 25 cm großen Würfel formen. Die Arbeit existiert in unterschiedlicher Ausführung, mal größer, dann in Bronze gegossen oder zweistöckig.

Bei manchen Skulpturen fragt man sich, woher die Formen stammen. Was war der Ausgangspunkt? Die Skulpturen sind dann gerne „ohne Titel" oder heißen lediglich den Aufbau beschreibend „turm". Sie sind eine Mischung aus Fantasieformen und Bekanntem. Eine von Jaana Caspary geschaffene abstrakte Form erinnert an ein reales Objekt. Amorphe Gebilde, die zum Teil etwas Architektonisches haben, entstehen aus vielfach zusammengesetzten Einzelformen. Sie bilden eine Einheit, einen Körper, ein Volumen. Dabei sind sie so perfekt gearbeitet und kopiert, als wären sie von einem 3D-Drucker erstellt worden. Doch sie sind handgeformt, in Detailarbeit ausgearbeitet und behandelt. Das bildhauerische Handwerk beherrscht Jaana Caspary. Sie hat schon während ihres Fach-abiturs im Atelier von Tony Cragg gearbeitet. In den vielen verschiedenen Werkstätten des Ateliers hat sie den Umgang mit den unterschiedlichsten Materialien kennengelernt. Das Interesse am Material und am Experiment ist geblieben. 2007 begann sie ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf und war dort in der Bildhauerklasse von Prof. Didier Vermeiren. 2014 hat sie ihren Abschluss dort gemacht. Jaana Caspary zeigt neue Arbeiten, darunter eine Rauminstallation aus mehreren Türmen. Die Türme variieren in ihrer Höhe zwischen einem und drei Metern. Sie bestehen aus aufeinandergesetzten Elementen, die jeweils zwei waagerechte Ringe beschreiben: einen großen und einen kleinen. Die Ringe sind durch Stege miteinander verbunden. Die Elemente erinnern an Hocker oder das Gestell eines Tisches. Sie sind ungleichmäßig modelliert und derart aufeinandergestapelt, dass die Türme durch ihre labile Konstruktion einzubrechen drohen. Jaana Caspary spielt mit dem Körpergefühl und der Sensibilität für Balance und Gleichgewicht der Betrachtenden. Das Material ist Gips und Kunststoff, das mit silberfarbenem Lack überzogen optisch eine Schwere bekommt, die das Gefühl von Gefahr durch ein mögliches Kippen verstärkt.

Zu Jaana Casparys Werk gehören neben der Skulptur auch Zeichnungen und Fotocollagen. Wie ihre Skulpturen bekommen auch die fotografierten Objekte in ihren Collagen auf Alu-Dibond ein neues Realitätsstadium. Es sind Stillleben von den Gütern des Massenkonsums, die sie auch als Ausgangformen für ihre Skulpturen benutzt. Sie sind bunt und haben dadurch etwas Poppiges. Sitzmöbel, Plastikbälle und andere Formen reduziert sie auf ihre Form. Meist ist die Einfarbigkeit der Objekte relevant für diesen Eindruck. Teils bekommen sogar die Objekte und der Hintergrund dieselbe Farbe. Die monochrome Erscheinung legt den Fokus nur noch auf die Formkontur und vor allem auf die feinen Abstufungen der Lichttöne und Reflektionen der Plastikmöbel. Jaana Caspary führt die Idee des Abstrahierens mit Hilfe ihrer charakteristischen Verdopplung, Spiegelung oder das Übereinanderlegen von Objekten und Strukturen weiter. So sind ihre Fotocollagen ein Spiel mit Perspektiven und Formen. Es sind vertraute Gebilde in neuer Gestalt.

Anika Bruns
ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Von der Heydt-Museum und zuständig für Skulptur und Kunst